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Vespa 125er-Dreiventiler

Nimm Drei

Doch die erstarkte Motorcharakteristik mit einer laut Piaggio um 2 Prozent verbesserten Beschleunigung von 0 auf 60 Meter macht die 125er Vespen nicht zum Ampelsprinter. Sanft nimmt der Single Gas an und kommt flott genug in die Gänge, um dem vierrädrigen Verkehr das dicke rote Rücklicht zu zeigen. Den meisten Zweirädern gucken die 3V-Piloten jedoch hinterher. Ausgesprochen kultiviert gibt sich der Motorlauf, von Vibrationen keine Spur. Hinzu kommt ein subjektiv durchaus kräftiger Auspuffsound, der die LX wie die S erwachsen wirken lässt.

Nicht nur der Motor, auch das Fahrwerk der beiden 125er-Vespen ist identisch. Natürlich stellt wie seit Jahrzehnten üblich die selbsttragende Stahlkarosse das Rückgrat. Vorn rollt ein moderat großes Elfzollrad und beschert eine für innerstädtische Verhältnisse hinreichende Lenkpräzision. Hauptvorzug der Vespen ist jedoch ihre ausgeprägte Wendigkeit, die sie dem kurzen Radstand, ihrem niedrigen Gewicht von 125 Kilogramm und dem kleinen Zehnzollrad hinten verdanken. Wieselflink huschen die Klassik-Vespas durch den Stau und nutzen jeden freien Zentimeter aus. Beim Bremsen genügt oftmals die hintere, kräftige Trommelbremse, während die vordere Scheibenbremse sehr defensiv und nicht sonderlich gut dosierbar agiert. Auf annähernd ebenem Untergrund liefern die charakteristische Kurzschwinge vorn und die Triebsatzschwinge hinten einen tadellosen Fahrkomfort. Auf schlechten Wegstrecken fühlt man sich jedoch bisweilen wie im Korb des Osterhasen, wenn die Italienerinnen in eine hoppelnde Gangart wechseln. Klasse sind nach wie vor die großzügigen Platzverhältnisse und die tolle Ergonomie mit niedriger Sitzhöhe, die jeder Statur passen dürfte.

Während die technische Seite der beiden 125er Modelle keinerlei Unterschiede offenbart, trennt sich bei der Optik die Spreu vom Weizen. Mit der LX präsentiert sich das italienische Reinheitsgebot in Form der traditionellen Optik mit runder Formensprache und allen typischen Vespa-Insignien, fein abgeschmeckt mit einem klassischen Analog-Instrument – das ist ein bisschen wie damals bei Gregory Peck und Audrey Hepburn in „Roman Holidays“. Deutlich renitenter treibt’s dagegen die S-Version, die mit langer Sportsitzbank ohne Sozius-Haltereling und eckigem Frontscheinwerfer an die rasenden Tifosi der Sechziger und Siebziger Jahre erinnert, um das sich Mods-Drama „Quadrophenia“ mit Sting drehte. Dass für beide Leichtkraftroller rund vier große Scheine hinzublättern sind, die LX mit 3990 Euro sogar als Vespa-Einstiegsmodell fungiert, liegt in erster Linie am Kultstatus und nicht den gestiegenen inneren Werten. Doch wer sich einmal für das Original entschieden hat, wird sich davon nicht abhalten lassen.

Thilo Kozik